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Neue Erkenntnisse zur Lebenserwartung

Bahnbrechende Studie enthüllt die Umwelt-Architektur des Alterns

Eine wissenschaftliche Studie, die kürzlich in Nature Medicine veröffentlicht wurde, liefert überzeugende Beweise dafür, dass unsere Umwelt und unser Lebensstil einen deutlich stärkeren Einfluss auf unsere Langlebigkeit haben als unsere Gene. Das Forscherteam um M. Austin Argentieri und Cornelia M. van Duijn hat durch die Analyse von Daten von fast einer halben Million Menschen eine umfassende Karte der Faktoren erstellt, die unser Altern und unsere Lebenserwartung bestimmen.

Die 25 entscheidenden Faktoren

Die Wissenschaftler identifizierten 25 unabhängige Umweltfaktoren, die sowohl mit vorzeitiger Sterblichkeit als auch mit biologischer Alterung zusammenhängen. Zu den wichtigsten Einflussfaktoren gehören:

Positive Faktoren (lebensverlängernd)

  1. Höheres Haushaltseinkommen: Ein höherer sozioökonomischer Status trägt erheblich zur Langlebigkeit bei
  2. Berufstätigkeit: Beschäftigt zu sein wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus
  3. Körperliche Aktivität: Regelmäßige Bewegung verzögert den Alterungsprozess signifikant
  4. Mit Partner leben: Zusammenleben mit einem Partner im Vergleich zum Alleinleben
  5. Höhere Bildung: Mehr Bildungsjahre korrelieren mit einer geringeren biologischen Alterung
  6. Eigenheim-Besitz: Im Vergleich zur Miete oder zum mietfreien Wohnen
  7. Besuch eines Fitnessstudios: Regelmäßiges Training in organisierten Umgebungen
  8. Zugehörigkeit zu asiatischer/schwarzer oder anderer ethnischer Gruppe: Im Vergleich zu weißer Ethnizität in der UK Biobank
  9. Optimale Schlafdauer: Ausreichende und qualitativ hochwertige Schlafstunden
  10. Kleinere Körpergröße mit 10 Jahren: Überraschenderweise war eine geringere Körpergröße in der Kindheit mit geringerer Sterblichkeit verbunden
  11. Regelmäßige Freizeitaktivitäten: Die Teilnahme an regelmäßigen Freizeitaktivitäten wirkt sich positiv aus
  12. Optimistisches Lebensgefühl: Ein positiver mentaler Zustand beeinflusst die biologische Alterung

Negative Faktoren (lebensverkürzend)

  1. Aktives Rauchen: Einer der stärksten negativen Einflussfaktoren
  2. Kumulierte Pack-Jahre des Rauchens: Die gesamte Rauchdosis über die Lebensspanne hinweg
  3. Soziale Deprivation: Höhere Werte auf dem Townsend-Deprivationsindex
  4. Wohnen in Sozialwohnungen: Im Vergleich zum Eigenheimbesitz
  5. Häufige Müdigkeit: Sich regelmäßig erschöpft zu fühlen
  6. Finanzielle Schwierigkeiten: Erlebte finanzielle Probleme in den letzten zwei Jahren
  7. Mütterliches Rauchen um die Geburt herum: Rauchexposition durch die Mutter während der Schwangerschaft
  8. Fülligere Körperform mit 10 Jahren: Übergewicht in der Kindheit im Vergleich zu durchschnittlichem oder schlankerem Körperbau
  9. Mangel an Enthusiasmus: Häufiges Gefühl von Antriebslosigkeit
  10. Geringere Griffstärke: Ein Marker für allgemeine körperliche Schwäche
  11. Alleinstehend oder getrennt/geschieden sein: Im Vergleich zum Zusammenleben mit einem Partner
  12. Einsamkeitsgefühle: Soziale Isolation und subjektiv empfundene Einsamkeit
  13. Unregelmäßige Ernährungsgewohnheiten: Inkonsistentes Ernährungsverhalten

Umwelt schlägt Genetik

Die vielleicht überraschendste Erkenntnis der Studie: Während genetische Faktoren nur etwa 2 Prozentpunkte der Variation bei der Sterblichkeit erklären, sind Umweltfaktoren für ganze 17 Prozentpunkte verantwortlich. Diese enorme Diskrepanz legt nahe, dass unsere Lebensentscheidungen und Umweltbedingungen eine weitaus größere Rolle für unsere Langlebigkeit spielen als unsere ererbten Gene.

Krankheiten folgen unterschiedlichen Mustern

Interessanterweise fanden die Forscher, dass der relative Einfluss von Umwelt und Genetik je nach Krankheit variiert:

  • Genetik dominiert bei: Brustkrebs, Prostatakrebs, Darmkrebs, Alzheimer und Makuladegeneration
  • Umweltfaktoren dominieren bei: Lungen-, Herz- und Lebererkrankungen

Diese Erkenntnisse könnten die Art und Weise, wie wir präventive Gesundheitsstrategien entwickeln, grundlegend verändern.

Der gemeinsame Nenner: Die biologische Uhr

Alle 25 identifizierten Faktoren zeigten Zusammenhänge mit einem gemeinsamen Muster der proteomischen Alterung – einer biologischen Uhr, die auf der Grundlage von Proteinen im Blut misst, wie schnell wir altern. Diese proteomische Alterung war auch mit einer Vielzahl von Biomarkern und altersbedingten Krankheiten verbunden, was auf gemeinsame biologische Mechanismen hindeutet.

Was bedeutet das für uns?

Die Studie unterstreicht, dass Umweltinterventionen möglicherweise der strategisch wichtigste Ansatz sind, um vorzeitige Sterblichkeit zu reduzieren und altersbedingten Krankheiten vorzubeugen. Während wir unsere Gene nicht ändern können, haben wir die Möglichkeit, viele der identifizierten Umweltfaktoren zu beeinflussen:

  1. Nicht rauchen (oder damit aufhören)
  2. Körperlich aktiv bleiben
  3. Auf ausreichenden Schlaf achten
  4. Soziale Beziehungen pflegen
  5. Bildung und sozioökonomische Chancen fördern

Quelle: Natur Medicine

Limitationen und Zukunftsperspektiven

Die Autoren betonen, dass trotz des prospektiven Studiendesigns und der sorgfältigen Bewertung von Umkehrkausalität und Störfaktoren die berichteten Assoziationen nicht unbedingt kausal sein müssen. Zudem erfasst die Studie nicht die Dynamik des Exposoms im Laufe des Lebens, da alle Expositionen nur zu einem Zeitpunkt gemessen wurden.

Dennoch öffnet diese Forschung die Tür für weitere gezielte Studien, um das Zusammenspiel zwischen genetischen und umweltbedingten Einflüssen auf vorzeitige Sterblichkeit und Alterung zu entwirren.

Fazit

Die Studie bietet eine klare Botschaft der Hoffnung: Unser Schicksal liegt nicht ausschließlich in unseren Genen. Vielmehr haben wir durch unsere Lebensweise und unser Umfeld erheblichen Einfluss auf unser biologisches Altern und unsere Lebensdauer. Diese Erkenntnis gibt uns die Macht, unsere Gesundheit und Langlebigkeit aktiv zu beeinflussen – eine Verantwortung, die wir nicht leichtfertig nehmen sollten.


Quellen:
Argentieri, M. A., Amin, N., Nevado-Holgado, A. J., et al. (2025). Integrating the environmental and genetic architectures of aging and mortality. Nature Medicine. https://www.nature.com/articles/s41591-024-03483-9